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25.01.2025 Tachles Standpunkt Noëmi van Gelder - Anerkennung und Mitgefühl

Tachles Standpunkt Noëmi van Gelder anlässlich des Internationalen Holocaust Gedenktages

Anerkennung und Mitgefühl | Tachles

Einer der vom Verband Schweizerischer Jüdischer Fürsorgern (VSJF) betreuten Holocaust-Überlebenden formulierte das folgende Credo: «Die zukünftigen Generationen müssen wissen, welches Leid wir erfahren haben, um zu verhindern, dass dies wieder jemandem passiert.» In dieser Tradition steht unser Verband seit Jahrzehnten..

Am 27. Januar jährt sich der Internationale Holocaust-Gedenktag zum 80. Mal. Wir gedenken der Opfer des Holocaust während des Zweiten Weltkriegs – der sechs Millionen Juden sowie Millionen anderer Menschen, die durch das national-sozialistische Regime und seine Verbündeten während des Zweiten Weltkriegs systematisch verfolgt und ermordet wurden. Wir erinnern an die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau im Jahr 1945. Es steht symbolisch für das Ende eines der dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte für die beispiellosen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Für die Pflege der Erinnerungskultur und für humanitäre Hilfe, insbesondere für die Überlebenden des Holocaust, gilt der (VSJF) als wichtiger Akteur.

1908 als loser Zusammenschluss jüdischer Armenfürsorgen gegründet, unterstützt der Verband Schweizerischer Israelitischer Armenpflegen (VSIA) mittellose Juden. 1918, mit dem Anstieg jüdischer Migration, gewinnt der Verband an Bedeutung. Mit der Machtergreifung Adolf Hitlers 1933 wird der VSIA zur zentralen Organisation der jüdischen Flüchtlingshilfe in der Schweiz. Unter finanziellem und organisatorischem Druck muss sich VSIA zwischen der Zusammenarbeit mit den Behörden und moralischer Verantwortung positionieren. 1943 wird der Verband umstrukturiert zum Verband Schweizerischer Jüdischer Fürsorgen und übernimmt die Betreuung von Geflüchteten sowie von Überlebenden des Holocaust, die nach 1945 aus den Konzentrationslagern in die Schweiz kommen. In den 1950er Jahren engagiert sich der VSJF für die Rückführung geraubter Vermögen und Rentenansprüche ehemaliger deutscher Juden. Neben juristischer Hilfe entwickelt er psychosoziale Dienstleistungen für jüdische Personen in Notlagen. Als Instanz für humanitäre Werte setzt sich der VSJF bis heute für Geflüchtete und Überlebende der Schoah ein – wobei der Schwerpunkt auf Hilfestellung und Betreuung, einschliesslich finanzieller Unterstützung, psychosozialer Betreuung, Hilfe bei Traumabewältigung, Pflegeleistungen und sozialer Aktivitäten liegt.

Zu den zentralen Aufgaben des VSJF gehört auch die Vertretung von Holocaust-Überlebenden gegenüber der Claims Conference. Ihr Ziel ist es, für diese Menschen eine bestmögliche Betreuung im Alter sicherzustellen. In der Folge liegt ein besonderer Schwerpunkt der Arbeit des VSJF auf der Umsetzung der Unterstützungsprogramme für Holocaust-Überlebende in der Schweiz.

Als Forschungsstätte wider das Vergessen gehört das Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich zu den internationalen Archiven der Schoah. Der Bestand umfasst Dokumentationen von Zeitzeugen sowie rund 12 000 Dossiers von Personen und Familien, die während des Zweiten Weltkriegs in die Schweiz geflüchtet sind.

Durch die Mitarbeit des VSJF beim Aufbau und bei der fortwährenden Erweiterung der Dokumentationsstelle zur jüdischen Zeitgeschichte des Archivs wird einer breiten Öffentlichkeit Zugang zu diesen wichtigen historischen Quellen ermöglicht.

Die Arbeit des VSJF verweist unmittelbar auf die Relevanz des Internationalen Holocaust-Gedenktags. Denn obwohl der Holocaust zu den am gründlichsten dokumentierten Ereignissen der Geschichte gehört, ist es essenziell, weiterhin über diese Vergangenheit nachzudenken. Das Gedenken an die Opfer der Schoah und der universale Auftrag, aus der Geschichte zu lernen, erscheinen in der heutigen Zeit wichtiger denn je. Es sind längst noch nicht alle Geschichten von Opfern und Überlebenden erzählt, nicht alle Details über spezifische regionale Beteiligungen aufgearbeitet, nicht alle psychologischen und soziologischen Dimensionen erforscht zu den Traumata, Nachwirkungen und deren Weitergabe innerhalb der Familien, nicht alle Dokumente aus der Zeit vollständig erschlossen und ausgewertet und noch immer analysiert die Forschung die Frage der Täterwerdung und ihre Mechanismen.

Der Holocaust muss Thema bleiben, sowohl in Bezug auf historische Details als auch auf die Art und Weise, wie wir uns daran erinnern und da-raus für die Gegenwart und die Zukunft lernen. Damit steht der diesjährige internationale Holocaust-Gedenktag auch dafür, die Gesellschaft zur Besonnenheit aufzurufen, und dafür, eine klare Haltung einzunehmen gegen den zunehmenden Antisemitismus, der sich an Schulen, Universitäten, über gezielte Desinformationskampagnen benennbarer Aggressoren sowie in der Öffentlichkeit nach dem 7. Oktober 2023 kontinuierlich freigesetzt hat.

Auch wir selbst, als Teil einer wachen Zivilgesellschaft, sind in der Verantwortung, antisemitischen Tendenzen, wo immer wir diesen begegnen, konsequent und entschieden entgegenzutreten. Mit dem Bewusstsein gegenüber den Herausforderungen der heutigen Zeit leisten wir damit einen wichtigen Beitrag an die Erinnerungskultur und gegen die Verbreitung und Normalisierung antisemitischer Narrative in der Gegenwartsgesellschaft. Wir können angemessen erinnern, debattieren und an zukünftige Generationen vermitteln. Privilegien, Errungenschaften und Werte wie Freiheit, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, Menschenwürde, Volkssouveränität, Pluralismus, Partizipation, Toleranz, Solidarität, Transparenz und Verantwortlichkeit bedürfen unseres Schutzes und unserer Verteidigung. Demokratische Lebensformen werden nur durch unser Mitdenken, Mitreden und Mitwirken aufrechterhalten. Das braucht die beständige Auseinandersetzung mit divergierenden Sichtweisen und die Fähigkeit, tiefgründige Debatten zu führen, die nicht nur Verständnis für komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge schaffen, sondern auch die Bereitschaft fördern, gemeinsame Lösungen zu entwickeln. Und es braucht unsere gegenseitige Anerkennung und unser Mitgefühl, auch wenn uns dies manchmal viel abverlangt.

Noëmi van Gelder ist Präsidentin des VSJF.

https://www.tachles.ch/artikel/standpunkte/anerkennung-und-mitgefuehl

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